Was ist Recovery?


Recovery - kurzgefasst

Recovery ist eine Haltung und gleichzeitig ein Prozess, eine Art zu leben und zu begleiten. 

Der englische Begriff Recovery kann ins Deutsche übersetzt werden mit „Genesung“, „Wiedererstarken“, „Erholung“ oder „Besserung“. 

In der Psychiatrie steht der Begriff „Recovery“ für eine Bewegung von Psychiatrieerfahrenen, die sich seit Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts für eine andere Wahrnehmung psychischer Erkrankung einsetzten. Viele unterschiedliche Gruppen und Institutionen arbeiten heute mit dem Recoveryansatz. 

Recovery geht davon aus, dass jeder Mensch, unabhängig von der Schwere seiner psychischen Belastung, die Chance auf ein gutes und erfülltes Leben hat. Jeder Mensch hat das Potenzial zur Genesung. Erstes Ziel ist dabei Wohlbefinden und nicht die Freiheit von Symptomen. Die größten Wirkfaktoren sind hier die Aufrechterhaltung von Hoffnung und die Fähigkeit dem Geschehen einen Sinn zu geben. 

Recovery ist ein allumfassender Entwicklungsprozess, der durchaus von Rückschritten und Stagnation begleitet werden kann. Der sogenannte Recoveryweg führt aber auf die Dauer zu einer Verbesserung der persönlichen Situation und Befindlichkeit. 

Recovery orientiert sich an den Stärken und den Fähigkeiten der Menschen ohne deren Schwächen aus dem Blick zu verlieren. Erfahrungen und das daraus resultierende Erfahrungswissen, sind von ausschlaggebender Bedeutung und werden als persönlicher Schatz angesehen, der in vielerlei Weise positiv genutzt werden kann. Recovery hat einen Fokus auf den Bedürfnissen, Wünschen und Träumen der Menschen und nimmt diese ernst. 

Durch eine spirituelle Dimension kann Recovery erweitert werden.

Definition 

Eine vielzitierte Definition des Recovery-Begriffes von William A. Anthony lautet: 

„Recovery ist ein zutiefst persönlicher, einzigartiger Veränderungsprozess der Haltung, Werte, Gefühle, Ziele, Fertigkeiten und Rollen. Es ist ein Weg, um ein befriedigendes, hoffnungsvolles und konstruktives Leben, trotz der durch die psychische Krankheit verursachten Einschränkungen zu leben. Recovery beinhaltet die Entwicklung eines neuen Sinns und einer neuen Aufgabe im Leben, während man gleichzeitig über die katastrophalen Auswirkungen von psychischer Krankheit hinauswächst.“ 

Kernsätze von Recovery

  1. Jeder seelisch erschütterte Mensch hat unabhängig von der Schwere seiner seelischen Problematik die Chance auf ein erfülltes und gutes Leben.

  2. Jeder Mensch hat das Potential zur Genesung.

  3. Der Erhalt von Hoffnung (auch stellvertretend - holder of hope) ist zentral für die Genesung von seelischer Erschütterung.

  4. Das Ziel ist nicht die Beseitigung von Symptomen, sondern das Wohlergehen der betroffenen Person.

  5. Der Fokus liegt auf den Stärken und Fähigkeiten der Person und nicht auf deren Defiziten. (Salutogenese statt Pathogenese)

  6. Der seelischen Erschütterung bzw. dem eigenen Leben einen Sinn zu geben fördert die Genesung.

  7. Rückschritte und Stagnationen sind selbstverständlicher Teil des Recoveryweges. 

  8. Recovery ist eine Haltung zur eigenen seelischen Gesundheit und ein nicht endender Prozess.

  9. Recovery braucht ein gewisses Maß an Risikobereitschaft.

  10. Selbstbestimmung, Autonomie und Eigenverantwortung sind zentrale Werte für Recovery (siehe auch beim Empowerment-Ansatz)

  11. Kein Recoveryweg gleicht dem anderen.

  12. Recovery kann geschehen mit, ohne oder trotz professioneller Hilfe.

Literatur:

  1. Knuf, Andreas, Recovery und Empowerment, Neuausgabe 2020 Edition, Psychiatrie Verlag

  2. Amering, A. & Schmolke, M. (2011). Das Ende der Unheilbarkeit. 5. Auflage. Bonn: Psychiatrie-Verlag. Anthony, W.A. (1993).

  3. Gianfranco Zuaboni (Hg.), Christian Burr (Hg.), Andréa Winter (Hg.), Michael Schulz (Hg.) - Recovery und psychische Gesundheit: Grundlagen und Praxisprojekte, Psychiatrieverlag 2019