Kurzkonzept


DAS RECOVERYCOLLEGE SÜDBADEN

Stand: 10.12.2020 

Ziel des Vorhabens

Inspiriert durch das Recoverycollege Gütersloh entstand Anfang Dezember 2019 die Idee in Südbaden ebenfalls ein Recoverycollege zu gründen. Ziel ist es auf vielfältige Weise die Recoveryhaltung an alle Bürger weiterzugeben und eventuell bei Einzelnen Recoveryprozesse anzustoßen. 

Was ist ein Recoverycollege? 

Ein Recoverycollege ist eine Art „Volkshochschule“ für seelische Gesundheit, in der Menschen, die Erfahrungen mit seelischen Erschütterungen haben, Kurse planen und durchführen - gegebenenfalls unterstützt von Menschen ohne Erfahrungen mit seelischen Krisen. Die Themen der Kurse sind sehr vielfältig und schöpfen aus den Fähigkeiten und Talenten der Kursleitenden. Die übergreifende Klammer ist Recovery, also das Wiedererstarken bzw. die Genesung von seelischer Erschütterung. Im Moment sind Recoverycolleges an nur wenigen Orten in Deutschland im Aufbau - teilweise gibt es Empowermentcolleges mit einem sehr ähnlichen Ansatz. In Baden-Württemberg entstanden erste Initiativen in Ulm, in Stuttgart, im Bodenseekreis und jetzt eben in Südbaden. Das heißt mit der Realisierung unseres Recoverycollege bewegen wir uns im Rahmen von Pionierarbeit.

Was ist Recovery? 

Recovery ist ein Konzept, eine Methode, ein Prozess und vor allem eine Haltung zum (Wieder-)Erlangen von (seelischer) Gesundheit und geht davon aus, dass jeder Mensch unabhängig von der Schwere seiner seelischen Erschütterung die Chance auf ein gutes und erfülltes Leben hat, selbst wenn Symptome der seelischen Problematik weiterbestehen. Der Glaube an eine solche Genesung, das Festhalten an Hoffnung und Sinn sowie die Fokussierung auf Fähigkeiten und Stärken der Betroffenen sind bedeutsame Merkmale des Recoveryansatzes. Menschen machen sich so auf ihren meist langen Recoveryweg, der auch durch vorübergehende Rückschritte und Stagnation geprägt sein kann. Es ist nicht das Ziel, wie in der traditionellen Schulmedizin, den Zustand vor der seelischen Beeinträchtigung wieder zu erreichen, sondern sich weiter zu entwickeln auch ohne vollständige Symptomfreiheit. 

Das Recoverykonzept ist zuerst in den USA und dann in Neuseeland aus der Selbsthilfebewegung entstanden im Rahmen des Kampfes für mehr Bürgerrechte und Selbstbestimmung in den 60iger und 70iger Jahren. Während in englischsprachigen Ländern inzwischen ganze Gesundheitssysteme recoveryorientiert arbeiten, stehen wir in Deutschland diesbezüglich immer noch am Anfang. 

Das Recoverycollege Südbaden (RCS)

Beim RCS handelt es sich um ein nicht örtlich gebundenes Recoverycollege, dass heißt die Kurse können in ganz Südbaden stattfinden. Die Geschäftsstelle des RCS wird im Sozialpsychiatrischen Dienst Freiburg im Holzmarkt 8 sein.

Träger des Recoverycollege

Träger des RCS ist der Caritasverband Freiburg-Stadt e.V. in Zusammenarbeit mit Selbsthilfe mit Köpfchen e.V. Geplant ist der Aufbau eines Kooperationsverbundes, in dem sich dem RCS nahe stehende Vereine und Organisationen für das College aktiv engagieren.

Ideen für unser Recoverycollege

Recoverycollege Südbaden als Bildungseinrichtung: Das Recoverycollege Südbaden ist eine Bildungseinrichtung mit dem zentralen Thema Seelische Gesundheit. Die Würdigung von Erfahrungswissen ist wesentlich für die Art und Gestaltung der dort angebotenen Kurse.

Kursangebot für alle: Das Kursangebot berücksichtigt die Interessen aller Menschen und wendet sich nicht nur an spezielle Gruppen wie seelische belastete Menschen, deren Angehörige, Bürgerhelfer*innen oder in der Psychiatrie beruflich tätige Menschen. 

Die Kurse: Die Kurse werden von Menschen mit Erfahrungen mit seelischen Krisen geleitet und können dabei auch von Menschen ohne Krisenerfahrungen unterstützt werden. In den Kursen bilden die Dozent*innen und Teilnehmende eine Lerngemeinschaft. Auch die Dozent*innen verstehen sich als Lernende. Neben der Wissensvermittlung ist der Austausch innerhalb der Lerngemeinschaft von wesentlicher Bedeutung.

Koproduktion: Mit dem Konzept der Koproduktion werden Aufgaben gemeinsam gelöst und Macht- und Verantwortungsgefälle unter den Mitarbeitenden soweit möglich vermieden. Angestrebt werden eine gleichberechtigte Zusammenarbeit und ein Umgang auf Augenhöhe.

Post-trialogischer Ansatz: Das College verfolgt einen post-trialogischen Ansatz, das heißt, die häufig gelebte Rollenstarrheit von seelisch erschütterten Menschen, Angehörigen und Fachpersonen wird weit möglichst aufgelöst. Dadurch haben die von seelischen Problemen Betroffenen verbesserte Möglichkeiten zur Inklusion sowie deren Angehörige und Fachpersonen werden entlastet. Somit können sich alle am Genesungsprozess Beteiligten freier begegnen, sich als Bürger verstehen und ihre Rollen flexibler handhaben. 

Umgang im College: Im Recoverycollege wollen wir uns als ganzheitliche Wesen und vielfältige Menschen begreifen und begegnen: als Individuen in unterschiedlichen Lebenskontexten und mit den Fähigkeiten und Begabungen, die jeder von uns hat oder noch entdecken kann. Der Umgang im College soll respektvoll, wertschätzend, unterstützend und demokratisch sein. Selbstbestimmung, zwischenmenschliche Toleranz und Akzeptanz sind Werte, die uns verbinden. Darüber hinaus wollen wir auch einfach Freude teilen und Spaß miteinander haben.

Recovery im Recoverycollege: Im College werden Genesung, Wachstum, Wiedererstarken und Entwicklung gefördert und angeregt. Recoverykonzept und Recoveryhaltung werden an alle Bürger weitergegeben und bei Einzelnen Recoveryprozesse angestoßen.

Personenzentrierung: Das Recoverycollege orientiert sich an den Bedürfnissen der Menschen, die sich dort begegnen, und hinterfragt permanent seine (vermeintlichen) institutionellen Zwänge.

Weiterentwicklung: Das College entwickelt sich in Diskussionen und Auseinandersetzungen der Mitwirkenden kontinuierlich weiter. Jedes Recoverycollege ist anders als alle anderen, ist offen für Neues und es findet dort ein ständiger Entwicklungsprozess statt.

Bisherige Aktivitäten

Bisher entstand diese Website des Recoverycollege mit der Adresse www.rc-suedbaden.org. Darüber hinaus wurden Informationsblätter verfasst, die den gedanklichen Ansatz für das College beschreiben und erste Gespräche mit potentiellen Partnern fanden statt. Parallel dazu wurde ein Interessierten-Emailverteiler aufgebaut. Im Oktober 2020 stellten wir einen Antrag bei dem Förderprogramm Impulse Inklusion, der Anfang Dezember bewilligt wurde. Für diesen Zuschuss werden wir eine/n geringfügig bezahlte Mitarbeiter*in einstellen, die/der das Recoverycollege bis 31.12.2021 voranbringen wird.

Projekt "Etablierung des Recoverycollege Südbaden"

Mit der Bewilligung unseres Förderantrages startet das Projekt "Etablierung des Recoverycollege Südbaden". Ziel des Projektes ist es, das RCS zu gründen und eine Grundlage für dessen Weiterentwicklung zu schaffen. Mit der Einstellung eines/r Mitarbeitenden wird das RCS einen deutlichen Entwicklungsimpulse bekommen. Zuerst werden umfangreiche Vernetzungsarbeit und Werbung notwendig. Darüber hinaus wird eine Aktivengruppe von ehrenamtlichen Mitarbeitenden aufgebaut. Es wird damit begonnen den Kooperationsverbund zu gründen und schon zu einem möglichst frühen Zeitpunkt sollen Kursleitende gefunden werden. Wichtig ist, dass sich eine Gruppe von Menschen findet, die sich mit Interesse am RCS treffen und den aktiven Kern des RCS bilden. Die aktuellen Bedingungen, die durch die Corona-Pandemie entstehen, müssen  dabei berücksichtigt werden.

Mit Ende des Projektes am 31.12.2021 soll das RCS in der Regio gut bekannt und in die entsprechenden Netzwerke eingebunden sein. Gemeinsam wird der Kooperationsverbund, die Aktivengruppe und die Kursleitenden eine Basis für den weiteren Ausbau bilden. Erste Kurse sollten bereits in 2021 stattgefunden haben und die Nachhaltigkeit des Projektes soll schon vor dem Projektende gesichert sein. 

Langfristige Überlegungen

Wenn das Recoverycollege gut besuchte Kurse durchführt und in der Region seinen Platz gefunden hat, wird es notwendig werden, sich zu professionalisieren, sich intern besser zu organisieren und strukturieren sowie sich mit anderen Recoverycolleges bzw. Empowermentcolleges überregional zu vernetzen. Erste Anfragen liegen jetzt schon vor. 

Auch wird dann die Gründung eines gemeinnützigen Vereins nötig werden oder man findet eine vergleichbare Rechtsform - vorausgesetzt das Recoverycollege legt Wert auf Unabhängigkeit und Selbstständigkeit.